Monday, October 22, 2007

gamma-gt

Montag Ende Oktober: artischokkas alljährliches Verbringen diverser Stunden im Wartesaal Vier (Hepatologie) der viszeralchirurgischen Poliklinik des Universitätsspitals Zürich. Alljährliches Wiedersehen mit den üblichen Verdächtigen. Zusammenfassend lässt sich festhalten: artischokka wird immer jünger. So gesehen: im Vergleich mit den Zyrrhosen und den Transplantationen. Das ist die zweitbeste Erkenntnis vom diesjährigen Montag. Die beste: der diesjährige Oberarzt ist Argentinier - beste Fremdsprache schlechtes französisch. So schlecht, dass er die in vorliegender Situation nicht unwichtigen beiden Wörter "gutartig" und "bösartig" verwechselt. "Verdammte Tat," würde RP sagen. artischokka, ihre langjährige Erfahrung mit dieser Institution ausspielend, lächelt souverän, klaut den Bericht, verduftet in einer unbeobachteten Minute und bestellt sich eine Viertelstunde später im Belmondo ein grosses Bier. Und dann noch eines.


Neulich in der Internistenkantine
'Vom Fach', NZZ-Folio, Januar 2007

„Wie war der Dienst?“

„Ich bin nonstop als Arschloch tituliert worden.“

„Von einem Kollegen?“

„Nein, von einem Patienten. Ethylisch-enzephalopathisch. Ich dachte erst: Entzug, aber er war chronisch geschädigt.“

„Apropos Alkoholismus, kennst du den: Wann ist man ein Alkoholiker? – Wenn der Patient mehr trinkt als sein Arzt!“

„Hihi.“

„Dabei ist Alkoholismus ja eine der vielfältigsten Erkrankungen: Elektrolytverschiebung, die Hoden werden kleiner, der Bauch gross, die Haare fallen aus, Wasser überall, Aldosteron. Anhand von Alkohol kann man viel erklären. Ein perfektes Lehrbeispiel für Studenten.“

„Ich sag nur: Blutwerte! Thrombozytopenie, Gamma-GT, Zieve-Syndrom, - alles, die ganze Palette. Und am Ende steigt die Leber aus.“

„Wobei, anfangs wächst die Leber ja an ihren Aufgaben.“

„Und dann brennt sie aus!“

„Das Problem mit Alkoholismus ist ja letztlich – die Therapie ist eher frustran.“


Ethylisch-enzephalopathisch: Schädigung des Gehirns durch Alkoholmissbrauch.
Elektrolytverschiebung: veränderte Konzentration von Elektrolyten.
Aldosteron: Hormon der Nebennierenrinde, wird bei Leberschädigung vermindert abgebaut.
Thrombozytopenie: abnorm niedrige Konzentration von Blutplättchen.
Gamma-GT: artischokka's bester Leberwert! Gamma-Glutamyl-Transferase. Enzym, das bei Lebererkrankungen in erhöhter Konzentration im Blut gefunden wird.
Zieve-Syndrom: erhöhte Blutfettwerte, Gelbverfärbung der Haut, Auflösen roter Blutkörperchen durch Alkoholmissbrauch.
Frustrane Therapie: Therapie mit wenig Erfolgsaussichten.

4 comments:

Anonymous said...

Da wollen wir doch nur hoffen, daß dies als gute Nachricht, ein gutes Zeichen gar zu werten sei, liebes Frl. Artischokka, was Ihre künftige neunundreissigzentimetrige Reißfestigkeit betrifft!
In unseren Breiten weiß man ja nichts (mehr)von Gamma-GT-Werten, da diese ja durch harsches oberes Hinausschießen grundsätzlich die Laboratiumseinrichtungen nachhaltig zerstört haben.

In guter Hoffnung also
Ihr
Ettore Schmitz
von der forensischen Pathologie

Rick said...

So einen Gamma GT kann man sich heutzutage ja kaum mehr in einem vernünftigen Zustand leisten, umso erfreulicher dass Ihre inneren Werte auch zu Ihren inneren Werten passen.
Die heutige Medizin ist ja total veramtet und verwissenschaftlich. Man denke nur an die guten alten Zeiten als experimentelle Pathologie und Lebendobduktion noch nicht verbrämt waren und man so einen missliebigen Menschen noch zum Heil der Medizin einbringen konnte.
Bleiben Sie gesund, gnä artischokka.

stubbornita said...

geschätzte herren pathologen

artischokka höckelt diesbezüglich auf dem west-östlichen diwan ("Denn ich bin ein Mensch gewesen und das heisst ein Kämpfer sein.), träumt dann und wann von einer giulietta spider und schwänzt weiterhin die "zwischenlabors". auf diese weise verlängert sich ihre lebenserwartung erwiesenermassen und entgegen aller medizinalpessimisten ganz automatisch.

vorzüglich

stubbornita

Anonymous said...

Werte Stubbornita und Herren

Der Mikrokosmos eines Uni-Spitals ist phänomenal. Aus der einen Richtung hetzten die Patienten auf der Suche nach medizinischer Behandlung (menschlicher, womöglich), an den Ihnen entgegen schreitenden Medizinern vorbei, die wiederum auf dem Weg zu Ruhm und Ehre noch ein paar Forschungsobjekte benötigen, je exotischer, desto besser.
Der resultierende Interessenkonflikt garantiert bizarr-skurrile Begegnungen zwischen Patient und Arzt, das Gespräch in der Internistenkantine ist ein hübsches Beispiel. Der vermeintlich Hirngeschädigte beweist im Gegenteil erstaunlichen Durchblick.

Erfreulich an der Situation ist die relativ geringe Zahl an definitiven Abschreibern, offensichtlich ist ein Mensch doch nicht so einfach zu erledigen. Ein echter Lichtblick.

Ich hätte dann auch gern noch ein Bier, ja, ein grosses.

RP